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Geschichten

Das eigene Basilikum – der Selbstversuch eines ahnungslosen Gärtners II

Wie aus zwei linken Händen ein grüner Daumen wird, erzählt Thomas in seinem Gärtner-Tagebuch. Basilikum aus dem Supermarkt hat bei ihm ab sofort wohl Hausverbot.

Der Kieler Fenstersturz

30. April 2018: Ist das mein verdammter Ernst?! Kaum wächst der erste Basilikumstrauch auf meiner Fensterbank, schon sabotiert mich mein eigenes Ungeschick. Was bringt der Grüne Daumen, wenn man zwei linke Hände hat? Das muss der Fall sein, der landläufigen Sprichwörtern zufolge dem Hochmut folgt. Aufgeben? Keine Option! Das ist doch genau das, was die Basilikum-Mafia aus dem Supermarkt erreichen will. Aber nicht mit mir. Ich kratze die Erde vom Fußboden und kippe alles zurück in den Kokostopf. Die verbliebenen Basilikumsprösslinge drücke ich sporadisch in die Erde. Den Rest regelt die Natur. Ich halte vorläufig mindestens eine Armlänge Abstand von der Fensterbank. Das ist jedoch keine Dauerlösung. Ich muss aufrüsten…

Willkommen in der Nachbarschaft

07. Mai 2018: Luft, Wasser, Wärme, Licht und eine sichere Umgebung – mehr braucht eine Basilikumpflanze nicht. Seit dem Umzug in ein erdbebensicheres Plastikreihenhaus gibt es kein Halten mehr. Auf meiner Fensterbank wuchert das Basilikum und alle Zweifel der letzten Wochen scheinen wie weggeblasen. In heller Stadtgärtner-Euphorie pflanze ich im dritten Topf kleine Tomatenpflanzen ein, die mir anvertraut wurden. Man verlässt sich auf mich, ich darf sie nicht enttäuschen!

Das Beet ist voll!

15. Mai 2018: Das Basilikum sprießt weiter vor sich hin und die Tomaten zeigen, dass sie sich bei mir wohlfühlen. Vielleicht sogar zu wohl. Die Tomaten klauen sich gegenseitig den Platz im Topf. Ich muss handeln. Ich fahre mit dem Fahrrad zum Baumarkt und kaufe mir sieben Blumentöpfe im schönsten Terrakotta, dass es für Geld zu kaufen gibt. Dazu kommen sieben Topfuntersetzer, denn Staunässe ist der Feind des Binnengärtners, habe ich in den letzten Wochen gelernt! Natürlich ist der Farbton der Untersetzer genau eine Stufe höher. Guido Maria Kretschmar würde mich sofort wegen Color-Blocking vor Gericht bringen, aber der hat in der Gartenwelt zum Glück noch nichts zu sagen. Insgesamt bin ich fasziniert vom Garten-Universum, das sich mir in der Außenabteilung des Baumarkts eröffnet. Ich hätte nie geahnt, wie viele Formen Blumentöpfe annehmen können. Von der griechischen Vase bis hin zur Osterinsel-Statue mit Rasenfrisur ist hier alles denkbar. Meine Wunschliste für Weihnachten und Geburtstag schreibt sich wie von selbst.

Umtopfaktion

16. Mai 2018: Da die Basilikumpflanzen inzwischen ohne meine Hilfe auskommen, widme ich meine Aufmerksamkeit nun den kleinen Tomaten. Nicht weniger als sieben Tomatenpflanzen wachsen in der gutbürgerlichen Nachbarschaft zu meinen Basilikumpflanzen. In pingeliger Feinarbeit trenne ich die in der Erde zusammengewachsenen Tomatenpflanzen mit chirurgischer Präzision und gebe jeder der sieben Pflanzen ein eigenes Zuhause im geräumigen Tontopf, dazu noch etwas Dünger aus dem Rankwerk-Shop. Meine Fensterbank sieht inzwischen aus wie ein kleines Gewächshaus. Das hätte ich mir vor knapp einem Monat nicht vorstellen können. „Ich werde zusammen mit meinen Pflanzen erwachsen“ höre ich mein Gehirn denken. Lächerlich. Aber das tägliche Gießen gibt meinem Leben die dringend benötigte Struktur und das stetige Wachstum von Basilikum und Tomate unter meiner Obhut verleiht mir ein gewisses Verantwortungsbewusstsein und die Überzeugung, dass ich alles schaffen kann. Ich tippe „Wie baue ich ein Waisenhaus?“ in die Google-Suche ein, verwerfe den Gedanken aber beim Anblick der rechtlichen und organisatorischen Herausforderungen. Gärtner, bleib bei deinen Töpfen!

Und er sah, dass es gut war

20. Mai 2018: Der letzte Monat war wie ein Rausch. Die Basilikumpflanzen platzen aus allen Nähten und ich kann es kaum erwarten, das erste Abendessen mit eigenem Grünzeug zu verfeinern. Auch wenn mir die kleinen Lippenblütler inzwischen etwas ans Herz gewachsen sind. Bevor ich in all zu große Wehmut verfalle, erinnere ich mich daran, weshalb ich überhaupt angetreten bin: Um zu gewinnen... Halt nein, um Basilikum von der eigenen Fensterbank zu ernten. Und natürlich, um zu gewinnen. Und ich habe gewonnen! Ich überlege, meinem Bio-Lehrer aus der sechsten Klasse eine Mail zu schreiben, um ihm meine Erfolge zu präsentieren. Vielleicht wird meine Note nachträglich noch nach oben korrigiert. Vielleicht weiß Herr Lehmann aber auch gar nicht mehr, wer ich bin. Lieber keine alten Wunden aufreißen, denke ich mir und lösche den Entwurf aus meinem Postfach.

Der harten Arbeit süße Lohn

21. Mai 2018: Wie werde ich meinen liebgewonnenen Basilikumpflanzen nach 4 Wochen guter Nachbarschaft auf meiner Fensterbank nun gerecht? Natürlich mit einem Klassiker der Italo-germanischen Küche: Nudeln mit Hacksoße! Die Basilikumblätter ergänzen mit ihrem satten Grün das leuchtende Weiß der Mozzarellastreifen und das Tomatenrot zur bandiera tricolore und machen aus mir einen Instagram-Trottel, der zum ersten Mal in seinem Leben sein Essen fotografiert. Das Basilikum hat mich verändert. Dazu brauchte es nicht viel, bloß ein paar Töpfe, Wasser, Sonne und viel Liebe. Wie es jetzt weitergeht? Die Tomatenpflanzen auf meiner Fensterbank schreien nach meiner Aufmerksamkeit. Außerdem wollen sie bestäubt werden, damit ich auch hier die Früchte meines Erfolgs ernten kann. Dazu muss ich einen geeigneten Platz in der freien Wildbahn finden. Es sei denn, meine Suche nach einer fleißigen Stubenbiene auf Mini-Job-Basis wird wider Erwarten von Erfolg gekrönt. Auf diesem werde ich mich aber erstmal ausruhen.

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