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Geschichten

Über den Dächern von Kiel

Raus aus dem Office, rein in die Natur. Für die Wissenschaftlerin Claudia ist das Gärtnern auf ihrer Dachterrasse der ideale Ausgleich zum Büroalltag. Auch im Garten experimentiert sie gern und probiert viel aus.

Es regnet in Kiel – oft und viel. Gut, in diesem Jahr haben die Sprotten den Wettergott Petrus auf ihrer Seite. Es ist ein meist sonniger Sommer. Doch heute regnet es trotzdem. Kein Wunder, denn das große Segel- und Vergnügungsevent „Kieler Woche“ hat gerade begonnen. Claudia sitzt in ihrer offenen, lichtdurchfluteten Küche im Dachgeschoss und isst ihr selbstgekochtes ayurvedisches Abendessen. Die gebürtige Schwerinerin schaut aus der großen Fensterfront hinaus und blickt auf ihre etwa 10 Quadratmeter große Dachterrasse. Ein wahres Stadtgarten-Nirwana ist da zu sehen. Es grünt und blüht und es gibt einiges zu entdecken. Claudia experimentiert gerne mit verschiedenen Sorten und probiert viel aus. Mal klappt es und mal eben nicht. Während ihres Studiums wagte sie sich an Salat und Petersilie im schattigen Balkonkasten in der damaligen Wohngemeinschaft. Erste Erfolgserlebnisse machten ihr Lust auf mehr und so kaufte sie sich nach dem Umzug in die neue Wohnung mit Dachterrasse einige Jungpflanzen von einem Schweriner Bio-Bauernhof. Der anfängliche Plan, ein Hochbeet aufzustellen, wurde jedoch schnell verworfen. Zu unflexibel und zu wenig Platz. Und so bezogen Tomaten, Kräuter und ein Blumenkohl die neuen Töpfe. Anfangs funktionierte alles bestens. Petersilie, Schnittlauch und Minze wuchsen prächtig, die Tomate bildete erste Früchte, nachdem Onkel Youtube um Tipps zum Ausgeizen hinzugezogen worden war. Einzig der Blumenkohl zickte rum und mochte wohl den Kieler Regen nicht so gerne. Nach einer Weile schimmelte er leider nur noch vor sich hin, anstatt eine schöne Ernte aufzufahren.

Heute zeigt Claudia mir, was sie dieses Jahr so alles aufzufahren hat. Und das ist so einiges. Ich staune nicht schlecht bei der Fülle an unterschiedlichen Pflanzen. Tomaten, Paprika, Erdbeeren, Kohlrabi, Peperoni, Basilikum, Minze, Petersilie, Rosmarin, Rote Bete, Gurke und Kopfsalat tummeln sich in friedvoller Nachbarschaft auf dem Stadtbalkon und scheinen dort ein prächtiges Leben zu haben. Kein Wunder, denn an sonnigen Tagen bekommen sie dank der offenen Lage eine ordentliche Chlorophyll-Schwemme. Große Töpfe, hochwertige Saat und Erde und Hornspäne als Düngung sind Claudias Geheimtipps. In Gegenden mit kurzen Sommern (wie gewöhnlich in Kiel) sollte man außerdem früh mit der Aussaat und Anzucht drinnen beginnen, damit die Pflanzen später ausreichend Zeit haben, reife Früchte auszubilden. Ob sie einen grünen Daumen hat, möchte ich von Claudia wissen. „Wenn ich die Tomaten angucke, würde ich sagen: Ja. Mit Spinat und Rauke hat es allerdings nicht geklappt, deshalb ist es wohl eher ein hellgrüner Daumen“, antwortet sie und schmunzelt.

Gärtnern heißt Entspannen

Claudia ist Wissenschaftlerin an der Uni Kiel. Sie erforscht den Meeresspiegelanstieg und arbeitet viel am Computer. Die Hände in die Erde zu stecken und den Pflanzen beim Wachsen zuzuschauen, bereiten ihr deshalb am meisten Freude. Gärtnern ist ein Hobby und ein fester Bestandteil ihres Alltags geworden. Nach der Arbeit wird gegossen. Für Claudia ist das Gärtnern ein Experiment. Sie möchte sich nicht an strikte Regeln und Do’s und Don’ts halten. Da spricht sicherlich der Forscherdrang aus ihr, denn der Spaß am Gärtnern ist mittlerweile auch auf ihren Professor übergesprungen. Claudia nennt es das „Wissenschaftler-Syndrom“: Raus aus dem Office, rein in die Natur.“ Es erfüllt, zu sehen, wie was wächst und das Endprodukt dann sogar essen zu können. Das Thema Nahrung erhält eine ganz neue Wertschätzung, denn es erstaunt dann doch, wie lange eine Tomate benötigt, um erntereif zu sein. Früher ist man einfach in den nächsten Supermarkt gegangen.

Als nächstes soll eine bequeme Sitzmöglichkeit auf der Dachterrasse gekauft werden. Claudia schwebt eine Art Rattan-Sofa vor. Auch Blumen sollen mehr Platz bekommen, um Bienen anzulocken, die sich um die Bestäubung der Tomaten kümmern. Eines steht für Claudia fest: Stadtgärtnern ist die gesundeste Sucht, die man haben kann!

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