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Eine Woche ohne Sonnenlicht – Rankwerk auf der Biofach/Vivaness 2018

Lasse verarbeitet in diesem Beitrag seine Eindrücke von der Weltleitmesse für Bio-Lebensmittel, der BioFach in Nürnberg. Da war ganz schön was los!

 

Das ganze Ding ist größer als gedacht. Als wir die große Straße in Richtung Kongreßzentrum und Zepplinfeld fahren, wird uns erstmal das Ausmaß dieser Veranstaltung deutlich. Unser Mietauto (unser eigenes sprang am Morgen in Kiel nicht an) werden wir trotz recht früher Ankunft auf Parkplatz Ost erst ganz am Ende los. Von dort sieht man die Messegebäude nur noch aus der Ferne. Doch das ist kein Problem, denn von diesem Parkplatz fährt alle paar Minuten ein Shuttlebus zu den drei Haupteingängen der Messe. Wir drängen uns mit unseren Paketen voller Saatproben zwischen die Anzugträger in den überfüllten Linienbus. Heute brauchen wir noch nicht mehr Sachen, denn wir sind die ersten zwei Tage mit unseren Produkten mit am Gemeinschaftsstand von Unternehmensgrün e.V. vertreten und können uns sonst völlig frei bewegen. Erst ab Tag 3 beziehen wir unseren eigenen festen Stand beim Land Schleswig-Holstein.Das Ziel heute ist Orientierung finden und das scheint schwieriger als gedacht, denn als wir beim Eingang Mitte ankommen, wird uns eins klar: Das Ding ist noch größer als auf dem Parkplatz gedacht. Es ist einfach gigantisch.

 

Die ersten Schritte auf dem roten Teppich wirken ein wenig unreal. Auf einer Biomesse würde man vom Namen her erstmal nicht so viele Anzugsträger und Rollkoffer erwarten. Doch schnell wird einem bewusst: Hier befinden wir uns nicht zwischen ökologischen Bauern, kleinen Biohändlern und Hofladenbesitzern - alle sind hier, um Neues zu entdecken, zu verhandeln und vor allem um zu kaufen. Wir befinden uns hier zwischen knallharten Geschäftsleuten.

Die erste Halle voller Stände haut einen direkt um. Es sind alle gekommen, die in den letzten Jahren ein Bio-Logo auf ihre Verpackungen gedruckt haben. 3.000 Händler und insgesamt 50.000 Fachbesucher drängen sich auf die 47.000 Quadratmeter der insgesamt 9 Hallen und werben großflächig mit ihren Namen, Logos, Farben und Sprüchen. Da keiner im bunten Farbenmeer untergehen will, versucht jeder seinen Namen noch größer als sein Nachbar auf die Banner zu drucken. Was eine Vielfalt und was für Firmen! Die meisten kennt man vom Sehen, auch wenn man nicht unbedingt bereits ein Produkt von derselbigen bereits verzehrt hatte. Doch jetzt bekommt man die Chance. Alle bieten Pröbchen ihrer Köstlichkeiten an und versuchen, einem einen Flyer anzudrehen. Am Besten noch ein Jutebeutel, denn dann dient man selber auch noch als wandelnde Werbescheibe. Ohne Bezug zur Tageszeit auf Grund des mangelnden Tageslichtes wankt man von Stand zu Stand und vergisst vollkommen die restliche Welt. Matchadrinks, Goji, Hydro-Wasser und Kokosriegel. Das innere Kind freut sich von Gang zu Gang ein wenig mehr. Schier endlos wirkt die Auswahl an angebotenen Köstlichkeiten, angeblich wohltuenden Drinks und den derzeitige Innovationen auf dem Biomarkt.

Doch irgendwo zwischen gang 9-567 und 8-453 trifft einen langsam die Stagnation. Die anfängliche Euphorie schlägt schnell in inneren Widerstand. Trotz der extrem kleinen Portionen beginnt der Magen langsam überzuquellen und es ist kein Ende in Sicht. Gerade mal zwei Hallen geschafft und dennoch kaum etwas auf dem Plan abgehakt. Man befinden sich in einem riesigen Labyrinth aus wiederkehrenden Begriffen. Kokos, Riegel, Matcha, Superfoods! Kokos,  Riegel, Matcha, Superfoods! Alles sieht gleich aus und ist gefühlt 50mal pro Gang vertreten. "Ah ihr macht also Superfoods-Fruchtriegel. Steht ihr auch in Halle 7? Ich dachte, ich hätte euch bereits in Halle 7 gesehen." "Da müssen Sie sich irren. Wir sind komplett new. Wir sind ein junges Unternehmen aus Berlin. Unsere Bars sind alle complete clean, nearly sugar free and organic!" "Ah okey! Das ja super. Das ja wirklich interessant! Schönen Tag noch!" "Ja dir auch viel Erfolg. Stay fresh and clean." Bloß nicht hängen bleiben und der jungen hippen Bedienung mit den ganzen Tattoos noch mehr Aufmerksamkeit schenken. Hier wird nicht nur präsentiert - hier wird verkauft! Das merkt man sowieso an einer Sache: Hier wird nicht bei der Verabschiedung "ein schönen Tag" gewünscht, sondern noch viel Erfolg!  

 

Langsam beginnen einen die Stände voller Superfoods ein wenig zu langweilen trotz angeblicher Vielfalt. Doch es ist nicht alles schlecht. Zwischendurch sind es Perlen, die aufblitzen und noch ein wenig Ursprünglichkeit des Biogedankens durchscheinen lassen. Wir haben spannende Gespräche (und den besten Kaffee der Messe) am Stand der sogenannten Regionalen - denen auch unser Partner Grell Naturkost angehört. Die Regionalen sind ein Netzwerk von Großhändlern mit der Zielsetzung, regionales Handeln in der Bioszene zu unterstützen und kurze Lieferwege, Transparenz und Unabhängigkeit voranzubringen. Wir treffen auf den Verein Saatgut e.V., der die ökologische Züchtung von Saatgut durch Mitgliedsbeiträge in den letzten Jahren enorm vorangetrieben hat. Wir hören Fachvorträge über das Prinzip Unverpackt und die Entwicklung von nachhaltigen Verpackungen. Wir sehen Käsekreationen, die einem das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen. Hersteller, die noch alle ihre Tiere mit Namen kennen und bei denen man die Liebe zum Produkt sofort spürt. Probieren uns durch die Neuheiten der Demeterstände, treffen auf Kontakte zum ersten Mal persönlich, mit denen man bereits tausendmal telefoniert hatte und nun ein Gesicht zuordnen kann. Präsentieren unsere Produkte endlos vielen interessierten Biogroßhändlern und stellen unser Firmenprinzip unserem Umweltminister Robert Habeck vor. An unserem Gemeinschaftsstand Schleswig-Holstein unterhalten wir uns mit regionalen Firmen aus unserer Gegend und erfahren mehr über ihren Weg ins Biogeschäft und was es für sie bedeutet, "Bio" zu sein.

 

DA IST ES DANN DOCH - Das, wofür wir da sind. Ein Gespür von einer Gemeinschaft, die ein Ziel hat. Die Welt ein wenig besser zu machen. Schritt für Schritt! Bei den Standpartys an Tag 3 zeigt die Szene plötzlich ihr heiteres Gesicht. Punkt 18 Uhr wird die Krawatte gelockert und die Bio Power Energy Drinks auf dem Tresen gegen Bier getauscht. Unnahbare Einkäufer und Salesmen und -women, sonst nur mit Termin ansprechbar, lassen sich zu bayerischen Klängen am Naturlandstand gehen oder tanzen in der Halle der parfümverpesteten Vivaness zu Britney Spears. Um 21 Uhr ist der Spuk auch wieder vorbei. Anzüge torkeln durch die leeren Gänge zu den Ausgängen. Krawatte richten und ab ins Hotel: Messeberichte ausfüllen. Für drei Stunden stand die Szene still, morgen müssen die Zahlen wieder stimmen.

Insgesamt waren es lehrreiche Tage zwischen ursprünglichen Produkten, die nicht mehr für den Begriff Bio stehen könnten und den Mutationen des ansteigenden Trends Bio. Nach vier Tagen im künstlichen Licht spuckt uns die Biofach ins Sonnenlicht. Es ist merkwürdig hier draußen! Nachdem sich die Augen an die natürlichen Strahlen gewöhnt haben, setzen wir uns in den Shuttlenbus und fahren um das riesige Gelände. Eins ist sicher: Wir kommen nächstes Jahr wieder! Werdet ihr auch noch dort sein?

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